Samstag, 9. Juli 2011

Über die Berechtigung Zen zu lehren

Man mag vielleicht denken „Zen ist doch nur sitzen in Stille. Das kann doch jeder lehren, der schon mal ein paar Retreats gemacht hat und die wichtigsten Bücher gelesen hat, oder?“. Um es kurz zu machen: Nein. Man benötigt formell und schriftlich
  • Die Bestätigung als Dharma-Nachfolger (Dharma-Siegel), im Soto-Zen auch „Denpo“ genannt
  • Die Lehrerlaubnis (genannt „Inka Shōmei“ im Rinzai-Zen, „Shihō“ im Soto-Zen)
Im Folgenden wird erläutert, warum die Lehrerlaubnis sehr wichtig ist.

Wenn sie einen Auto fahren lernen wollen, gehen sie in eine Fahrschule wo ein Lehrer mit Lehrerlaubnis als Fahrlehrer unterrichtet, der selbstverständlich auch einen Führerschein hat. Genauso ist es im Zen. Das Dharma-Siegel ist der Zen-Führerschein. Wenn jemand ohne Dharma-Siegel Zen lehrt, ist das als ob jemand ohne Auto-Führerschein eine Fahrschule anbietet. Es ist Absurd.
Gerade bei einer solch wichtigen Sache wie der Zen-Übung sollte man darauf achten, einen guten Lehrer zu haben, denn Zen ist kein Wellness-Kurs mit der Zielsetzung „Kommen wir mal runter vom Alltag und zentrieren uns“. Zunächst einmal ist Zen nicht „nur“ sitzen in Stille. Das mag die vordergründige Übung sein. Zen geht aber weit darüber hinaus. Zen ist ein Weg der Befreiung vom Leid und eine direkte Umsetzung des edlen achtfachen Pfades des Buddha Shakyamuni. Dies wird erreicht durch die Befreiung des Geistes von Denkmustern und Vorstellungen. Wir sind oftmals derartig von unseren Modell-Landkarten bestimmt, dass wir nicht einmal merken, wie sehr wir an der Wirklichkeit vorbei leben. Darin eingeschlossen das Bild von unserem „Ich“ oder „Selbst“.

Ich werde vielleicht in einem anderen Blog darauf eingehen, was Zen ist und was die Elemente der Zen-Übung sind.

Im Zen geht es also um Befreiung, darum die Wirklichkeit neu zu erleben, einen anderen Standpunkt gegenüber ihr zu beziehen, ein heilsames Leben für sich selbst und andere zu führen. Dieser Weg erfordert großes eigenes Engagement und jemanden, der sich damit auskennt als hilfreichen Unterstützer.
Es ist ein bisschen wie beim gesund werden nach langer Krankheit. Gesund werden muss man selber, aber es gibt Ärzte, die einem helfen. Dazu sucht man ja auch einen Arzt mit Approbation auf, und nicht einen selbsternannten Kurpfuscher. Warum? Weil der Schaden anrichten könnte. Das ist bei falsch angeleiteter Meditation nicht anders. Zen ist nicht für jeden die richtige Übung, obwohl es jedem offen steht. Während der Meditation können ggf. Erlebnisse oder Schwierigkeiten etc.  auftreten, die ein Gespräch mit einem Lehrer erfordern.
Hinzu kommt der Inhaltliche Aspekt. Im Zen gilt der Grundsatz: Lehre nur das, was du bisher selbst erfahren und verwirklicht hast. Damit man im Zen wenigstens einen kleinen Überblick hat, sind das zunächst die Dharma-Siegel: Unbeständigkeit, Nicht-Selbst und Nirwana als Befreiung im Hier und Jetzt. Wer diese Dharma-Siegel nicht tief durchdrungen hat, kann über Zen nicht ernsthaft referieren oder lehren. Mit „durchdrungen“ ist keinesfalls eine intellektuelle Auseinandersetzung gemeint, sondern eine Intuitive „Schau“ ein „Erfassen“ im Sinne einer Zen-Erfahrung. Diese kann man sich nicht selber bestätigen, sondern wird durch einen Lehrer anerkannt.
Dem Zen-Lehrenden obliegt eine große Verantwortung: Gegenüber den Studierenden (Sangha): keinen Schaden zufügen und den Weg des Buddha weisen. Gegenüber der Lehre des Buddha (Dharma): Die Studierenden zu eigener Zen-Erfahrung führen. Dies kann nur jemand, der dies alles selbst verwirklicht hat.
Zen als Buddha-Weg blickt zurück auf eine über 2500 Jahre alte Tradition bis zu Buddha Shakyamuni persönlich. Die erste Dharma-Übergabe bzw. Dharma-Nachfolge fand von Buddha-Shakyamuni an Mahakasyapa statt und setzt sich ununterbrochen fort bis zu den rechtmäßigen Lehrern in unsere Zeit.
Ein Meister ernennt einen oder mehrere Nachfolger, denen er aufträgt, die Linie in Zukunft weiter zu führen, zu lehren, was sie bisher gelernt haben. Sie dürfen ihrerseits Dharma-Nachfolger ernennen. Auf diese Weise bilden die legitimen Lehrer einen Baum mit Buddha-Shakyamuni als Wurzel. Über diese große Traditionslinie haben wir die Möglichkeit, heute den authentischen Dharma zu praktizieren. Was wir heute hier als Dharma lehren und lernen ist in gewisser Weise die Akkumulation von 85 Generationen an Zen-Praxis. Eine Ursache-Wirkungs-Kette, die Shakyamuni Buddha persönlich in Gang gesetzt hat und als „drehen des Rades der Lehre“ bezeichnet wird.
Die Dharma-Übergabe wird durch ein Dokument bestätigt. Sie stellt im Zen eine Qualitätskontrolle dar, was sowohl Inhalt als auch Authentizität der Lehre betrifft. Schon in früher Zeit wie auch heute noch gibt es zahlreiche selbsternannte „Lehrer“, die im Grunde Scharlatane sind und alles andere als das wohl des Zen-Studierenden im Sinn haben, geschweige denn diese zur Befreiung führen könnten, selbst wenn sie wollten. Im Günstigsten Fall kommt dabei eine schlechte Lehre heraus, da der Unterrichtende selber noch nicht verwirklicht hat, wozu er die Studierenden anleiten soll. Im schlimmeren Fall schadet er den Studierenden sogar oder führt sie in die Abhängigkeit zu einer „Führer“-Figur.
In diesem Zusammenhang sei Ausdrücklich darauf Hingewiesen, dass es auch unter dem Tarnmantel des Buddhismus Gruppierungen gibt, die in Wirklichkeit Psychosekten darstellen. Dazu gibt es eine sehr schöne Webseite mit einer Checkliste, die man für sich und seine Zen-Gruppe einmal durchgehen sollte. Die Webseite „Buddhistische Sekten“ erreicht man über diesen Link.
Was ist die Aufgabe eines Lehrers? Ein Lehrer kann dich nicht erleuchten. Das kannst du nur selbst durch eigene Anstrengung schaffen. Noch bedeutet einen Lehrer zu haben eine Art von Gehorsam oder Ähnliches. Du bist immer selbst deine oberste Autorität.
Ein Lehrer kann dir eine sehr wertvolle Hilfe auf dem Weg sein. Er hat schon all die Schwierigkeiten gemeistert, vor denen du noch stehst oder die du gerade durchlebst. Er hat die drei Dharma-Siegel verwirklicht  und nur deshalb vermag er auch den Dharma zu lehren und Andere dazu anleiten, dieses ebenso zu tun.
Der Lehrer kennt den Dharma aus eigener Verwirklichung heraus und nicht nur aus Büchern oder theoretischen Überlegungen.
Ein Lehrer kann die im Rinzai-Zen essenzielle Koan-Schulung durchführen. Sie ist ein wichtiges Hilfsmittel auf dem Buddha-Weg. Er kann in den Einzelgesprächen den Entwicklungsstand des Studierenden verfolgen und ihm geeignete Übungen empfehlen oder sogar den entscheidenden Anschupser zum Durchbruch geben.  
Es ist also durchaus angebracht, wenn man in einer Zen-Gruppe den Lehrer fragt, ob er eine Legitimation (Inka) zur Lehre hat und wenn nicht, was er da eigentlich unterrichtet. Es ist nicht überall Zen drin wo Zen drauf steht. Zen ist als Begriff mittlerweile „schick“ und zieht als Buzz-Wort viele Leute an, die sich davon Aufmerksamkeit versprechen. Ich sah schon „Zen-Massage“, „Zen-Astrologie“, „Zen-Parfüm“ und kürzlich auch auf MTV „A fist of Zen

Zum Schluss möchte ich Zen-Meister Hakuin (1685-1768) zitieren:
…“Wenn jemand, der nicht Kensho erlangt hat, behauptet, ein Zen-Übender zu sein, dann ist er ein unverschämter Betrüger, ein dreister Schwindler und ein noch schamloserer Schurke“… (aus Hakuin Ekaku: „Wilder Efeu“, Kap. „Die Gefahr des falschen Lehrens“)
Dem interessierten Leser sei folgender Artikel über die Dharma-Übergabe vom Abt Muho (Soto-Kloster Antaiji) empfohlen: (Link 1, Link 2).
Meister Dogen hat dem Dharma-Siegel im Shobogenzo ein eigens Kapitel gewidmet „15-Shisho“. Online hier zu lesen aber auch in anderen Kapiteln  z.B „Weitergabe des Gewandes“.


Gassho!
大寂真
„Wenn aber ein Blinder den anderen führt, so fallen sie beide in die Grube“
(Mt 15,14)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen